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AVIVA-BERLIN.de im November 2024 - Beitrag vom 20.04.2018


achtung berlin – new berlin film award - Der AVIVA-Rückblick
Silvy Pommerenke

Am Ende einer Woche turbulenten Filmfestivals (11. bis 18. April 2018), auf dem nicht nur Filme zu sehen waren, stehen nun die PreisträgerInnen fest. Ganz großer Abräumer war die Tragikomödie von Lucia Chiarla "Reise nach Jerusalem", der als bester Spielfilm ausgezeichnet wurde. Eva Löbau wurde für ihre Darstellung der Alice als beste Schauspielerin ausgezeichnet. Mehr zum Festival, den RegisseurInnen und PreisträgerInnen auf AVIVA-Berlin.




Reise nach Jerusalem

Ach ja, wer kennt dieses Kinderspiel nicht: es gibt immer einen Stuhl weniger als es MitspielerInnen gibt, und am Ende scheidet das Kind aus, das bei einem bestimmten Signal keinen Sitzplatz ergattert hat. Alice (Eva Löbau) ist im übertragenen Sinne genau dieses Kind, das am Ende immer leer ausgeht. Das fängt bei Kleinigkeiten an (die elektronische Mitarbeiterin ihres Mobilfunkanbieters will sie partout nicht verstehen), geht über mittelschwere Dramen weiter (niemand will ihre Tankgutscheine abkaufen, die sie bei regelmäßigen Arbeiten im Markforschungsinstitut erhält) und mündet schließlich in der ein oder anderen großen Katastrophe (wohnungslos schlägt sie sich die Nacht um die Ohren und sucht ausgerechnet im KitKatClub nach einem Schlafplatz). Eva Löbau verkörpert die tragische Figur der Alice wirklich fantastisch und lädt die ZuschauerInnen immer wieder zum Lachen ein. Allerdings ein Lachen, was manchmal auch im Hals stecken bleibt, denn zu vieles ist Abbild des realen Alltags von vielen Abgehängten der Gesellschaft. "Reise nach Jerusalem" erhielt außerdem den The Exberliner Film Award und Eva Löbau wurde als beste Schauspielerin ausgezeichnet.

Der Eröffnungsfilm des Festivals "Zwei im falschen Film" erhielt eine Auszeichnung für das beste Drehbuch, und der undotierte Preis des Verbands der deutschen Filmkritik (VdFK) wurde in der Kategorie Bester Spielfilm an "Wer hat eigentlich die Liebe erfunden" verliehen. Dieser tiefsinnige und amüsante Film von Kerstin Polte ist mit Corinna Harfouch und Meret Becker in den Hauptrollen starbesetzt und führt die ZuschauerInnen in eine fantasievolle Geschichte, in der es nicht nur um die Frage geht, wer die Liebe erfunden hat.

Neben bekannten RegisseurInnen fanden sich natürlich auch wieder Neuentdeckungen auf dem Festival. Dazu gehörten unter anderem Esther Zimmering, die mit ihrem Dokumentarfilm "Swimmingpool am Golan" ihre Berlin-Premiere feierte. In ihrem Regiedebüt arbeitet sie die jüdische Geschichte ihrer Familie auf, die in der DDR und in Israel beheimatet war bzw. ist, und beleuchtet, was von den einstigen Idealen für die heutige Generation noch an Gültigkeit besitzt.

"Der größte Teil meiner Familie wurde in Auschwitz, Riga und Theresienstadt ermordet. Die beiden einzigen Überlebenden, Lizzi und Lore, bauten nach dem Holocaust in zwei weit voneinander entfernten Weltregionen ihr neues Leben auf. Sie heirateten politisch engagierte Männer, gründeten Familien und halfen beim Aufbau ihrer jeweiligen Heimatländer. Es war die Zeit des Kalten Krieges. Die ehemaligen Cousinen standen plötzlich jeweils auf der anderen Seite der Mauer zweier verfeindeter Systeme. Über das Wunder des Überlebens und die Grausamkeit des Erlebten haben meine Großeltern sehr wenig erzählt – und ihre Kinder haben nicht danach gefragt. Es ist ein bekanntes Phänomen, dass erst die Enkelgeneration Fragen nach der Vergangenheit stellt. Ich bin die Enkelgeneration. Und ich stelle allen drei Generationen Fragen", sagt Regisseurin Esther Zimmering über die Idee zu SWIMMINGPOOL AM GOLAN.

Zwei Kurzfilme, die leider keine Auszeichnungen erhalten haben, die es aber trotzdem wert sind, näher vorgestellt zu werden, sind "Nur ein Tag in Berlin" und "Pity F*ck". Der erste Film ist insofern bemerkenswert, weil er von einem Mann gedreht wurde (Malte Wirtz), aber eine Frauenfreundschaft abbildet. Zudem ist ihm ein äußerst reelles Bild gelungen, wie Berliner Touren ablaufen können: Gespräche, Alkohol, Koks, Intimitäten, Streit und Versöhnung. Und Pity F*ck ist äußerst amüsant, denn hier werden Männer, die sexuelle und Beziehungsprobleme haben, von der 30-jährigen Gabi versorgt. Sie sieht in ihrer Arbeit "so´ne Art Krisendienst" und bezeichnet sich gerne als "Mitleids-Sex-Dienstleisterin"...

Neben den achtzig Filmen, die es insgesamt auf dem Festival gezeigt, fand auch eine Videobustour statt, bei der ausgewählte Filmausschnitte gezeigt wurden, die dann mit dem Bus angefahren wurden. Die jeweiligen RegisseurInnen und SchauspielerInnen waren ebenfalls anwesend. Film quasi zum Anfassen. Und unter dem Stichwort "Klappe auf!" veranstaltete der BFFS (Bundesverband Schauspiel) täglich Interviews von SchauspielerInnen mit RegisseurInnen.

Das Resümee des Berliner Filmfestivals fällt äußerst positiv aus: es war äußerst gut besucht, die Stimmung war grandios, es gab SchauspielerInnen und RegisseurInnen zum Anfassen und die Redakteurin freut sich jetzt schon auf den 15. new berlin film award, wenn es im nächsten Jahr wieder heißt: Achtung Berlin!

Alles rund ums Festival finden Sie auf www.achtungberlin.de und auf Facebook




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Beitrag vom 20.04.2018

Silvy Pommerenke